Produktbeschreibung
Meines Wissens ist Nipples das einzige von Manfred Eicher produzierte Album, das nicht bei ECM erschienen ist. Dieses kuriose Album wurde im April 1969 aufgenommen, also Monate vor der ersten richtigen ECM-Veröffentlichung im selben Jahr im berühmten Tonstudio Bauer, aus dem der erste Titel stammt. Bei diesem Stück, das dem Album seinen Namen gibt, werden wir nicht vorgewarnt, sondern stürzen uns in eine flammende Kakophonie von Klängen. Obwohl es sich anfühlt, als würde man mitten auf der Shinjuku-Kreuzung aus dem Koma erwachen, stellt sich ein bizarres Gefühl der Behaglichkeit ein, je mehr man sich in seinem unerbittlichen Glanz sonnt. Der Doppelschlag von Peter Brötzmann und Evan Parker am Tenorsaxophon blutet auf die sprichwörtliche Seite, auf der der Gitarrist Derek Bailey, der Pianist Fred Van Hove, der Bassist Buschi Niebergall und der Schlagzeuger Han Bennink alle Arten von Diakritika, Satzzeichen und redaktionellen Anmerkungen hinzufügen. Das Ergebnis ist wie das Chaos eines Peer-Reviews, das in einem einzigen bewegten Porträt kontrolliert wird, in dem das Gesicht des Zuhörers gespalten wird wie das von Michelle Yeoh in Everything Everywhere All at Once. Trotz (oder gerade wegen) dieses rasanten Ansatzes gibt es immer wieder Momente für Soli, wie etwa Van Hoves Höhenflug nach etwa sechs Minuten. Gegen die aggressive Bogenführung und die frontale Schlagzeugarbeit tritt uns sein Pianismus ins Schienbein und lässt uns nach mehr lechzen. Brötzmann und Bailey fügen dem Ganzen eine kompromisslose Härte hinzu, während sie das Ensemble zu einem asketischen Zusammenhalt.
Diesen Artikel haben wir am 29.11.2020 in unseren Katalog aufgenommen.